12 / 2019

Wohnungsmarkt München: Keine Zeichen einer spekulativen Blase

Wohnungsmarkt München: Keine Zeichen einer spekulativen Blase

#lautgedacht

 

Wohnungsmarkt München: Keine Zeichen einer spekulativen Blase

Die Kaufpreise sind in München und anderen deutschen Ballungsgebieten in den letzten 10 Jahren deutlich stärker gestiegen als die Inflation und die Mieten, die Immobilienrenditen sind entsprechend gefallen. Dies weckt immer wieder die Befürchtung, dass eine spekulative Blase entstehen könnte, d. h. dass die Preise fundamental nicht mehr begründet werden können und daher ein Preissturz wahrscheinlich wird. Zuletzt wurde diese Befürchtung durch eine Veröffentlichung der UBS genährt, in der das Blasenrisiko insbesondere in München als besonders hoch angesehen wird (UBS, Global Real Estate Bubble Index 2019). Als Gründe hierfür wurden insbesondere die fallende Erschwinglichkeit (ein durchschnittlicher Arbeitnehmer braucht 8 Jahre, um eine 60 QM Wohnung zu kaufen), als auch die besonders stark steigenden Vervielfältiger (Verhältnis von Kaufpreisen zu Mietpreisen) genannt.

Grundsätzlich ist eine spekulative Blase immer schwer zu identifizieren. Dies hängt damit zusammen, dass ursächlich für eine spekulative Blase eine Motivationsänderung ist: Investoren und Haushalte kaufen Immobilien nicht mehr, um sie selbst zu nutzen oder um Erträge mit der Vermietung zu erzielen, sondern vor allem, weil sie an immer weiter steigende Preise glauben. Eine spekulative Blase resultiert damit immer auch aus einem überbordenden Optimismus (für eine ausführliche Diskussion siehe Shiller, 2015: Irrational Exuberance). Auch wenn sich die Motivation der Investoren nicht abbilden lässt, gibt es aber doch einige typische Anzeichen, um das Risiko einer spekulativen Blase zu evaluieren: Eine höhere Transaktionsgeschwindigkeit, eine expansive Kreditvergabe und eine starke Ausweitung der Bautätigkeit. Mit Blick auf München werden im Folgenden diese Indikatoren diskutiert.

Die Transaktionsgeschwindigkeit nimmt zu, wenn Investoren bei der beschriebenen Motivationsänderung nicht mehr an langfristigen Investitionen interessiert sind, sondern vor allem kurzfristige Wertsteigerungen realisieren möchten. Daher nimmt die Haltedauer der Immobilie ab, gleichzeitig wollen immer neue Anleger einsteigen. In der Konsequenz nimmt das Transaktionsvolumen deutlich zu. Dies kann dazu führen, dass Verkäufer zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellen müssen, dass sie nur mit großen Abschlägen verkaufen können. Deutlich zu beobachten war die starke Ausweitung der Transaktionsvolumina in Großbritannien vor der Finanzkrise, aber auch in den USA oder Irland. In München hingegen ist der Markt derzeit buchstäblich leergefegt, es werden kaum Immobilien angeboten. Bei Immobilienportalen wie ImmobilienScout24 werden heute weniger als die Hälfte der Angebote inseriert, die noch im Jahr 2010 für München verfügbar waren. Auch nach Daten des Gutachterausschusses stagniert der Geldumsatz bei Eigentumswohnungen in München seit 2015, trotz deutlich gestiegener Preise – die Zahl der verkauften Wohnungen war auf Grund des zu geringen Angebots zuletzt sogar rückläufig (siehe Accentro Wohneigentumsreport 2019). Dies deutet insgesamt darauf hin, dass nach wie vor langfristig orientierte Investoren zumindest überwiegen.

Auch die Bautätigkeit deutet nicht auf eine übermäßige Angebotsausweitung hin. Im Gegenteil: Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2019 wurden in München im Zeitraum 2016 bis 2018 gerade einmal 70 Prozent der benötigten Neubauwohnungen auch gebaut. Auch in den Umlandgemeinden wird deutlich zu wenig gebaut (vgl. Henger und Voigtländer, 2019). Dies unterstreicht, dass Wohnungen in München tatsächlich knapp sind, und damit auch entsprechend hochpreisig.

Zur Kreditvergabe liegen keine regionalisierten Daten vor. Die Kreditvergabe ist wichtig, da ein steigender Fremdkapitalanteil in Kombination mit fallenden Tilgungssätzen auch andeutet, dass vor allem investiert wird, um kurzfristig Gewinne zu hebeln. Gerade in Spanien, aber auch in Großbritannien und Irland haben sich die Kreditbestände im Vorfeld der Finanzkrise verdoppelt oder sogar verdreifacht. Auch in Deutschland sind die Kreditvolumina gestiegen, aber deutlich langsamer als in den genannten Volkswirtschaften. Vor allem sind die Kreditvolumina aber langsamer gestiegen, als dies aufgrund der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und der Immobilienpreise zu erwarten gewesen wäre, was auf höheren EK-Einsatz und schnellere Tilgungen hinweist. Auch etwa Auswertungen der Europace-Plattform (siehe https://report.europace.de/ebix-etb/europace-ebix/), über die etwa 10 bis 15 Prozent der Immobilienfinanzierungen in Deutschland abgewickelt werden, zeigen weiter steigende Tilgungssätze und vor allem eine Ausweitung der Sollzinsbindung.

 Die illustrierten Daten deuten auf keine spekulative Blase hin, doch wie passen das zunehmende Auseinanderfallen von Preisen und Mieten sowie Preisen und Einkommen zusammen?

Der Schlüssel hierfür ist der Zins und die besondere Stellung von München. Die Zinsen sind weltweit seit 2010 gesunken, besonders in Deutschland. Sinken die Zinsen, steigt die Attraktivität von alternativen Anlagemöglichkeiten, wie zum Beispiel Immobilien und damit deren Preise. Da die Zinsen in Deutschland besonders stark gefallen sind (vgl. langfristige Zinssätze von OECD 2019), gab es auch entsprechend starke Anstiege der Vervielfältiger. Umgekehrt gilt dann auch, dass die Renditen besonders stark gefallen sind, weil sie sich letztlich an das Niveau festverzinslicher Wertpapiere angleichen. München gilt allgemein als ein wirtschaftlich besonders starker und robuster Standort, die Risiken werden hier als besonders gering angesehen. Gerade deswegen sind hier die Risikoprämien besonders gering, weshalb auch die Immobilienrenditen gering sind. Und auch die Erschwinglichkeit rückt in ein anderes Licht, wenn man die Zinsentwicklung mitberücksichtigt. Nach Analysen des Instituts der deutschen Wirtschaft liegen die Kosten von Eigentümern in München (und auch fast allen anderen deutschen Kreisen) unter den Kosten der Mieter, weil die Preisanstiege durch die Zinsentwicklung überkompensiert werden. Anders gewendet: Zwar müssen Haushalte in München besonders hohe Kredite aufnehmen, da die Kaufsumme sehr hoch ist, aber die laufende Zinsbelastung ist heute geringer als noch Anfang des Jahrzehnts (für die theoretische Fundierung der Ausführungen siehe Lerbs und Oberst, 2011, Rottke, 2012 oder Henger et al. 2012; für die Erschwinglichkeit von Wohnraum siehe Sagner und Voigtländer M, 2018).

Insgesamt ist der Blick der UBS auf die Märkte zu schematisch. Vervielfältiger und Preis-Einkommensrelationen besitzen zwar eine Aussagekraft, müssen aber auch ins Verhältnis zum Zins gesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Märkte oft institutionell anders aufgestellt sind, allein von der Immobilienfinanzierung her sind etwa London und München nicht miteinander vergleichbar. Schließlich ist die Stabilität eines Marktes deutlich höher, wenn die Haushalte lange Zinsbindungen und durchschnittlich mit höherem Eigenkapital finanzieren, als wenn vor allem variable Darlehen mit hohen Beleihungsausläufen gewählt werden. Die Gefahr einer spekulativen Blase kann für München damit insgesamt als gering angesehen werden. München ist immer noch ein Standort, der als besonders robust und stabil angesehen werden kann. Dies impliziert aber eben auch geringe Renditen, die gerade mit der höheren Sicherheit einhergehen.
 

Die Autoren

Prof. Dr. Michael Voigtländer ist Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte am Institut der Deutschen Wirtschaft. Neben seiner Professur an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hält er Vorlesungen zum Thema Immobilien an der European Business School Oestrich-Winkel, der IREBS Immobilienakademie Regensburg und der Universität Wuppertal.

Dr. Christian Oberst ist Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am Institut der Deutschen Wirtschaft und forscht an den Kompetenzfeldern Finanzmärkte und Immobilienmärkte.